Im Herbst informieren wir Sie über die Weiterentwicklung des Steuerrechts.
In dieser Ausgabe stehen vor allem aktuelle Urteile des Bundesfinanzhofs zum Bereich der Abgeltungssteuer und zum Dauerbrennpunkt „häusliches Arbeitszimmer“ sowie die gesetzliche Neuregelungen durch das sog. „Kroatien-Anpassungsgesetz“ im Fokus. Daneben stellen wir Ihnen einige weitere Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, sowie Neuigkeiten aus der Finanzverwaltung vor.
a) Gewährung des Abgeltungsteuersatzes bei Angehörigendarlehen
Mit gleich drei Urteilen, welche allesamt am 20. August 2014 veröffentlicht wurden, hat der Bundesfinanzhof (BFH) zur Gewährung des Abgeltungsteuersatzes bei Darlehen zwischen Angehörigen Stellung genommen.
Hintergrund dieser Entscheidungen ist der Ausschluss des besonderen Steuersatzes nach der Abgeltungsbesteuerung in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG), wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind und die Zinsen beim Schuldner als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden können. Das Gesetz definiert hierbei nicht den Begriff der nahestehenden Person.
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung sollten Angehörige immer auch nahestehend in diesem Sinne sein. Dem ist der BFH entschieden entgegen getreten. Dabei hat der BFH den Willen des Gesetzgebers hinterfragt und die Norm dahingehend ausgelegt. Danach liegt ein solches Näheverhältnis nur dann vor, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Allein die Familienangehörigkeit kann ein solches Näheverhältnis nach Ansicht des BFH nicht begründen.
Dies gilt nach der festen Überzeugung des BFH auch in den Fällen, in denen aufgrund eines Steuersatzgefälles ein Gesamtbelastungsvorteil entsteht, da Ehe und Familie bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemein- schaft begründen. Somit lässt der BFH ausdrücklich Gestaltungen mittels Darlehensvereinbarungen zu, die innerhalb des Familienkreises zu einer steueroptimalen Ausnutzung des niedrigen Abgeltungssteuersatzes i.H.v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag führen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber zu diesen eröffneten Gestaltungsspielräumen positionieren werden. Nach der derzeitigen Gesetzeslage können jedoch solche Vereinbarungen zwischen Familienmitgliedern nicht als missbräuchlich anerkannt werden.
b) Abgeltungsteuer bei Gesellschafterdarlehen
Ebenfalls mit Urteil vom 29. April 2014 hat der BFH zur Anwendung des gesonderten Steuertarifs der Abgeltungsteuer bei der Besteuerung von Kapitalerträgen eines zu mindestens 10% beteiligten Anteilseigners für die Gewährung eines verzinslichen Darlehens an die Gesellschaft entschieden.Für diese Fälle sieht das Gesetz die Anwendung der tariflichen Einkommensteuer bei den Kapitalerträgen des Gesellschafters vor. Der Kläger sah hierin eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Gesellschafter- finanzierungen gegenüber anderen Formen der Fremdfinanzierung.
Der BFH erachtete diese Benachteiligung jedoch nicht als Verstoß gegen den verfassungs- rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Viel- mehr sei diese unterschiedliche Behandlung von Fremdfinanzierungen gerechtfertigt.
Anders sehe dies jedoch aus, wenn das Darlehen an eine GmbH durch eine dem Anteilseigner nahe stehende Person gewährt wird. Dieses stellte der BFH in einer weiteren Entscheidung vom 14. Mai 2014 klar. Hier gelten die bereits dargestellten Grundsätze, dass eine Familienangehörigkeit für sich allein nicht das gesetzliche Ausschlusskriterium des Nahestehens erfüllt. Auch hier bieten sich somit nach dieser neuesten Rechtsprechung Gestaltungsmöglichkeiten zur steueroptimierten Darlehensvereinbarungen zwischen Gesellschaft und Angehörigen von Gesellschaftern an.
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Eine Abzugsfähigkeit solcher Aufwendungen sieht das Gesetz nur vor, wenn
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In diesen Fällen sind Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 1.250 € pro Jahr berücksichtigungsfähig.
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In den aktuellen Urteilen des BFH vom jeweils 26. Februar 2014 ging es jeweils um die letzte dieser beiden Alternativen, also der Frage, ob dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz für seine Tätigkeit zur Verfügung steht.
Der erste Fall betraf einen sogenannten Poolarbeitsplatz. Geklagt hatte ein Betriebsprüfer eines Finanzamts der sich mit insgesamt sieben Prüfern drei Arbeitsplätze in seiner Dienststelle teilen musste. Einen Belegplan o.ä. gab es für diese Arbeitsplätze nicht, es galt vielmehr das „Windhund-Prinzip“.
Der BFH erkannte die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer des Prüfers bis zur Höhe von 1.250 € als abzugsfähige Werbungskosten des Prüfer an. Ein anderer Arbeitsplatz stehe diesem nicht zur Verfügung, da die notwendigen gesamten Innendienstarbeiten in dem erforderlichen Umfang nicht an dem Poolarbeitsplatz erledigt werden können.
Das heißt jedoch nicht, wie der BFH ausdrücklich klarstellte, dass ein Poolarbeitsplatz generell als „anderer Arbeitsplatz“ ausscheide. Stünden ausreichend Poolarbeitsplätze zur Verfügung gegebenenfalls ergänzt durch eine arbeitgeberseitig organisierte dienstliche Nutzungseinteilung, so dass der Steuerpflichtige seine berufliche Tätigkeit in dem erforderlichen Umfang dort erledigen könne, so kann auch ein Poolarbeitsplatz ein „anderer Arbeitsplatz“ sein. In diesem Fall wäre dann ein Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer des Steuerpflichtigen nicht gegeben.
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Im zweiten Fall ging es um den Telearbeitsplatz eines Steuerpflichtigen. Dieser traf mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung über eine Tätigkeit im sogenannten Home-Office. Der Steuerpflichtige verpflichtete sich hiernach zur Errichtung eines Telearbeitsplatzes in seinem Wohnhaus, von welchem aus dieser jeweils am Montag und Freitag einer Arbeitswoche seine Tätigkeit verrichten sollte.
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Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz erkannte hier als Vorinstanz noch den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer an. Obwohl zwar ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehen würde (das Büro beim Arbeitgeber), habe sich der Steuerpflichtige verpflichtet, einen Telearbeitsplatz einzurichten. Diese Verpflichtung des Steuerpflichtigen müsse auch steuerlich anerkannt werden.
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Dem widersprach der BFH! Es sei dem Steuerpflichtigen nicht ausdrücklich untersagt gewesen, seinen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber jederzeit zu nutzen und daneben sei eine solche Nutzung des Arbeitsplatzes auch zu den Home- Office-Zeiten tatsächlich möglich gewesen. Der BFH versagte daher den Werbungskostenabzug, da dem Steuerpflichtigen ein „anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung stand.
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Für die Praxis lassen sich die Urteile wie folgt zusammenfassen: Die Nutzungsmöglichkeit des Arbeitsplatzes beim Arbeitgeber des Steuerpflichtigen muss tatsächlich eingeschränkt sein. Woraus diese Einschränkung beruht ist sekundär. Steht ein Arbeitsplatz jedoch dem Steuerpflichtigen außerhalb seines häuslichen Arbeitszimmers theoretisch zur Verfügung, greift die Versagung eines Abzugs der mit dem häuslichen Arbeitszimmer in Verbindung stehenden Aufwendungen.
Beim BFH sind zu diesem Themenkomplex weitere spannende Fragen anhängig. So müssen die Richter klären, ob z.B. eine starke und andauernde Lärmbelästigung die Nutzung eines Arbeitsplatzes des Arbeitgebers einschränkt. Eines haben die Entscheidungen des BFH allerdings schon gezeigt: Die Frage ob ein „anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung steht ist immer streng einzelfallbezogen zu prüfen.
Sprechen Sie uns an! Gerne überprüfen wir in Ihrem konkreten Fall, ob ein Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Frage kommt oder „finanzamtssicher“ gestaltet werden kann.
Der Gesetzgeber hat die Gelegenheit jedoch genutzt, einige Änderungen, die völlig unabhängig von dem Beitritt Kroatiens zur EU sind sozusagen „Huckepack“ durchzuschleusen.
a) Zweiterwerb von Versicherungen
Es handelt sich um eine Reaktion des Gesetzgebers auf bestimmte Anlagemodelle. Zukünftig soll auch der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung bei Eintritt eines versicherten Risikos und den Aufwendungen für den Erwerb und Erhalt des Versicherungsanspruchs zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, wenn der Steuerpflichtige Ansprüche aus einem von einer anderen Person abgeschlossenen Vertrag entgeltlich erworben hat.Eine Ausnahmeregelung sieht jedoch vor, die Steuerpflicht auszuklammern, wenn die versicherte Person den Versicherungsanspruch von einem Dritten erwirbt oder durch andere Rechtsverhältnisse der Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche arbeitsrechtlicher, erbrechtlicher oder familienrechtlicher Art erfüllt werden.
Die Neuregelung findet erstmals Anwendung auf Versicherungsleistungen, die aufgrund eines nach dem 31.12.2014 eingetretenen Versicherungsfalls ausgezahlt werden.
b) Veräußerung von Dividendenansprüchen
Es wird nunmehr gesetzlich klargestellt dass, wenn bei der Veräußerung von Dividendenansprüchen der Veräußerungserlös beim Anteilseigner nicht besteuert wird, es bei der Besteuerung der später zufließenden Dividendenzahlung beim Anteilseigner bleibt.Diese Regelung soll Gestaltungen im Rahmen eines sogenannten Dividenden-Strippings verhindern.
c) Fifo-Methode bei Fremdwährungsgeschäften
Die ursprünglich mit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 ausgeschlossene Möglichkeit, Veräußerungsgewinne bei mehreren gleichartigen Fremdwährungsbeträgen im Wege einer First-in-first-out Berechnung zu ermitteln, wird nunmehr wieder eingeführt. Diese Neuregelung soll zu einer Vereinfachung bei der Ermittlung des maßgebenden Veräußerungsgewinns führen und gilt erstmals für Veräußerungen im Veranlagungszeitraum 2014.d) Abzug von Unterhaltsleistungen
Der Abzug von Unterhaltsleistungen wird künftig an die zusätzliche Voraussetzung der Angabe der Identifikationsnummer (§ 139b AO) der unterhaltenen Person bei der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden geknüpft. Zumindest dann, wenn der Empfänger der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt.Die Neuregelung gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2015.
e) Wegzugsbesteuerung
Die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung werden weiter verschärft. Nunmehr sollen auch Umwandlungen von Personengesellschaften, an welcher ein mittlerweile nicht mehr in Deutschland ansässiger Gesellschafter beteiligt ist und in welche vor oder im Rahmen des Wegzugs stille Reserven aus inländischen Kapitalgesellschaften oder anderen Wirtschaftsgütern eingebracht wurden, unabhängig von einem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland der vollen Steuerpflicht unterliegen. Eine steuerbegünstigte Buchwertfortführung wird für derartige Umwandlungen versagt.Die Neuregelung bietet eine Fülle von steuerlichem Sprengstoff. Fraglich bleibt, ob derartige Regelungen, welche ein bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen überschreiben („treaty override“) verfassungs- und EU-Rechtskonform sind. Bis zur Klärung dieser Frage sind entsprechende Altfälle sorgfältig zu prüfen.
Die Neuregelung findet auf Umwandlungen und Einbringungen Anwendung, bei denen der Beschluss bzw. der Einbringungsvertrag nach dem 31.12.2013 erfolgt bzw. geschlossen wurde.
f) Reverse-Charge-Verfahren
Die wohl wesentlichste Neuregelung durch das Kroatien-Anpassungs-Gesetz betrifft die Umkehr der Steuerschuldnerschaft in der Umsatzsteuer (sog. Reverse-Charge-Verfahren) bei sog. Bauleistungen.Hier sah die gesetzliche Regelung bisher vor, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet, sofern er Unternehmer ist und selber derartige Leistungen erbringt. Die Finanzverwaltung legte diese Regelung dahingehend aus, dass jede nachhaltige Selbsterbringung von Bauleistungen zu einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers führt.
Dem widersprach der BFH in seiner aktuellen Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Neuregelung soll diese Rechtsprechung des BFH ausgehebelt und die bisherige Verwaltungsauffassung gesetzlich festgeschrieben werden.
Die Kernaussagen der Neuregelung lauten:
Zwar führe der Verlust der Darlehensforderung grundsätzlich zu einem Verlust einer sonstigen Kapitalforderung, allerdings erfülle dieser auch die Voraussetzungen einer Qualifikation als Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. In diesen Fällen sind die Aufwendungen der Einkunftsart zuzuordnen, die mit der Darlehensforderung in einer engeren Beziehung stehen. Diesen einkommensteuerlich erheblicheren Veranlassungszusammenhang sahen die Richter des BFH zu den Einkünften aus dem Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen.
Hiernach ist auch für Fälle der Gewinnermittlung, in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Reisekostenreform, eine erste Betriebsstätte zu definieren. Maßgebend sind für diese Qualifikation die für Arbeitnehmer festgelegten quantitativen Merkmale. Die Fahrten von der Wohnung zur ersten Betriebsstätte sind dann nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale Betriebsausgaben. Auch die für Arbeitnehmer entwickelten Reisekostenregelungen sind nach diesem Entwurfsschreiben entsprechend auf Unternehmer anzuwenden.
Dies betrifft auch die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwendungen, Übernachtungskosten und Reisenebenkosten.
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oder deren Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses werden als Bemessungsgrundlage für Zwecke der Umsatzsteuer der Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten bzw. die bei der Ausführung der Leistung entstanden Aufwendungen herangezogen, wenn diese das vereinbarte Entgelt übersteigen (Mindestbemessungsgrundlage).
Die Regelung soll insbesondere die Umgehung der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben verhüten. In einer aktuellen Entscheidung hat sich der BFH nun der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angeschlossen und geurteilt, dass diese Mindestbemessungsgrundlage dann nicht zur Anwendung kommt, wenn der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist (BFH-Urteil vom 05. Juni 2014, Az. XI R 44/12). Denn in diesen Fällen besteht das Risiko einer Steuerhinterziehung oder –umgehung nicht.
Der Bundesfinanzhof sah hier keine Möglichkeit, die Steuerbefreiung für ein Familienheim zu gewähren, da das Gesetz nur den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einer solchen Immobilie begünstigen würde. Die Zuwendung eines dinglichen Wohnrechts an dem Familienheim – dessen Voraussetzungen unstreitig vorlagen – genügt hingegen nicht für die Steuerbefreiung der Zuwendung (BFH-Urteil vom 08. August 2014, Az. II R 45/12).
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Derzeit stellen sich hier in der Praxis verschiedene Fragen. Die wichtigsten Antworten möchten wir wie folgt zusammenfassen: